Lehrgang zur Dōjō-Eröffnung im Genbu-Kai

23. Dezember 2023 Lehrgänge

Eine Schwertkata hatte ich mir gewünscht von meinem Freund Paul Froehly für den Eröffnungslehrgang der Aikido-Sektion im Genbu-Kai Lübeck. Etwas, was auch den Anfängerinnen und Anfängern Spaß macht und ihnen ein Verständnis für den Zusammenhang  des Schwertarbeit mit der waffenlosen Arbeit  vermittelt.

„Kein Problem“ für Meister Froehly, der ein wirklicher Meister dieses Faches ist. Als Schüler von Maître Daniel André Brun erlangte er in dessen Schule, der Fédération d’Aïkido Traditionnel, den 6. Dan im Aikido und den 5. Dan im Katana. Bokken und Katana sind für ihn quasi Körperteile, sie erscheinen angewachsen, wenn man sieht, wie Paul mit der Waffe verschmilzt: Ki-ken-tai-icchi – Energie, Schwert und Körper sind eins geworden. Wie kein anderer kennt Paul die Tiefenstrukturen der Techniken, die Geheimnisse dieser Waffe. So war dann auch sein Ziel uns nicht nur eine Kata zu zeigen, sondern den Kontext zu erklären, so dass alle  LehrgangssteilnehmerInnen vom 4. Dan bis zum 6. Kyū verstanden, was in welcher Position zu tun war.

Die Kata der 8 Formen wird in zwei Blöcke geteilt, je nachdem zu welcher Seite zuerst ausgewichen und zuerst abgewehrt wird. Man trainiert die Kata zu zweit, muss sich aber immer einen zweiten Uke vorstellen, den man auch ausschalten muss. Auf der linken Seite wird als erstes in den Bauch bzw. ins Auge gestochen,  bevor man sich Uke widmet. Die Ziele von Nages Shōmen-uchi sind in der ersten Technik die Hand, in der zweiten der Bauch – bzw. der Hüftknochen, wenn man mit dem Bokken arbeitet – in der dritten Technik die Gurgel, in der vierten der Nacken. Zu beachten ist, dass in Frankreich sehr wohl ein Unterschied gemacht wird zwischen Bokken aus Holz und Katana aus Metall. Mit dem Bokken wird auf Knochen oder andere feste Körperstrukturen geschlagen (z.B. Kehlkopf), mit dem Katana werden weiche Muskel- und Gewebestrukturen  geschnitten.  Diese Unterscheidung erscheint mir sehr logisch und überzeugt mich mehr als die Gleichsetzung von Bokken und Katana, wie sie meist im DAB vorgenommen wird, aber das mag Geschmackssache sein.

Bei den vier Formen, wo Nage zuerst nach rechts ausweicht und horizontal den Bauch von Uke schneidet bzw. auf den Hüftknochen schlägt, nimmt folgende Trefferflächen ins Visier: Handgelenk, Nacken, aufgestellte Ferse und in Technik 8 ein Doppelschlag auf den Nacken, der verfehlt wird, weil Uke ausweicht, indem er in die Knie geht, beim Aufstehen dann aber am Kehlkopf getroffen wird.

Das war viel Futter für alle Graduierungen, so dass Paul die Kata in weiser Voraussicht schon im Vorfeld in zwei Trainingsblöcke eingeteilt hatte. Auch hier merkte man seine jahrzehntelange Erfahrung als Lehrer bzw. Meister. Da er individuell angepasst korrigierte und auch den Lernstoff binnendifferenzierte, d.h. für die verschiedenen Niveaus unterschiedliche  Details betonte oder wegließ, hatte jeder gut zu tun und alle kamen zu einem Erfolgserlebnis. Auch meine „jungen“ Schülerinnen und Schüler machten super mit. So ein Schwert in der Hand weckte bei Ihnen ungeahnte Energien und war eine riesige Motivation! Stolz gingen alle nach dem Training von der Matte.

Damit aber auch der gemeinsame Austausch nicht zu kurz kam, waren wir in der Mittagspause gemeinsam italienisch essen und nach der zweiten Einheit auf dem weihnachtlichen Mittelaltermarkt im Schatten der Marienkirche Drachenblut (Punsch) trinken.

Auch unser Dojoleiter Dirk Kather, 5. Dan vom Shito-Ryu Genbu-Kai, der nach langer Aikido-Pause die erste Trainingseinheit mit uns absolviert hatte, war bei Pizza und Pasta dabei. Dies hat mich besonders gefreut, da ich sehr glücklich bin, in meinem Karateverein nun auch für meine neue Aikidogruppe ein Zuhause gefunden zu habe.  Für den Vorstand war es klar, dass der Verein den Lehrgang unterstützt und ich freue mich darauf, auch für die Zukunft wieder spannende Lehrerinnen und Lehrer einzuladen. Die Planungen laufen bereits…

Dieser Lehrgang  hat auch gezeigt, dass unser Sektionsname „Kokoro“ gut gewählt ist. Mit Paul verbindet uns eine herzliche Freundschaft und ich glaube, dass auch viele TeilnehmerInnen, die ihn erst an diesem zweiten Advent kennen gelernt haben, ihn ein wenig ins Herz geschlossen haben.

Es war uns eine Ehre, dass er die weite Reise aus dem Elsass bei Schnee und Eis in den Norden Deutschlands angetreten ist um als Lehrer auf diesem Lehrgang die Dōjō-Eröffnung  mit uns zusammen zu begehen. Dafür ein großes Dankeschön und „À la prochaine“ – bis nächstes Mal.